In meinen Gesprächen mit Anbetungsleitern höre ich immer wieder die Frage, warum sich manche Gemeinden schwerer tun, Zeiten für Lobpreis und Anbetung in ihren Gottesdienst zu integrieren als andere. Verunsicherte Lobpreisleiter oder auch unzufriedene Gottesdienstbesucher fragen sich: Liegt es daran, dass unsere Gemeinde ?verstockt? ist und einfach nicht versteht, worum es geht? Fehlt ihnen das ?Herz der Anbetung?? Oder sind wir einfach zu traditionell und nicht für Veränderung offen? Liegt es an unserer Unfähigkeit als Lobpreismusiker? Oder haben wir einfach noch nicht die richtigen Lieder gefunden?


Das alles mag im Einzelfall sein. Es ist oft schwer, das aus der Ferne zu beurteilen, weil jede Gemeinde ihre eigene Geschichte und Prägung hat. Ein Grund aber, der sehr häufig zu Konflikten rund um Anbetung und Gottesdienst führt, ist ein unterschiedliches Grundverständnis von dem, was ein Gottesdienst ist und welche Rolle die Anbetungslieder im Gottesdienst spielen. Dieses Grundverständnis des Gottesdienstes hat sich nämlich nicht nur im Lauf der Geschichte immer wieder gewandelt, es ist auch heute weit weniger einheitlich und eindeutig als noch vor 100 Jahren. In einer Zeit, in der intensiv nach neuen Gottesdienstformen und alternativen Modellen des Gottesdienstes gesucht wird, müssen wir damit rechnen, dass unterschiedliche Grundüberzeugungen und Prägungen auch innerhalb unserer Gemeinden und sogar innerhalb unserer Lobpreisteams aufeinander treffen. Was dann scheinbar aussieht wie ein Streit um Musikstile, Liedgut und Minutenpläne, ist oft in Wirklichkeit ein viel tieferer Konflikt zwischen unterschiedlichen Grundauffassungen über das Wesen eines Gottesdienstes.

Woran also orientiert sich unser Verständnis des Gottesdienstes? Vier Orte, an denen zur Zeit Jesu öffentliche Versammlungen stattfanden, liefern uns mögliche Vorbilder: Der Tempel, die Synagoge, das Theater und die Therme.

1. Der Tempel: Hier war seit alter Zeit der zentrale Ort der Begegnung mit Gott. Diesen Ort hatte Gott selbst ausgesucht und er hatte versprochen, hier seinen Namen wohnen zu lassen und hier seinem Volk zu begegnen. Die Realität seiner Gegenwart war im Tempel so deutlich, dass die Priester zuweilen nicht in der Lage waren, ihren Dienst zu verrichten (manche übersetzen auch: auf ihren Füssen stehen zu bleiben), weil die Gegenwart Gottes den Tempel spürbar erfüllte. Es gab nur einen Tempel, und wer Gott begegnen wollte, der musste sich aufmachen nach Jerusalem. Beten konnte man auch anderswo, aber hier ging es um eine andere Art des Gebets: die persönliche, direkte Begegnung mit Gott, der hier inmitten seines Volkes wohnte. Im Tempelgottesdienst gab es deshalb vermutlich keine Predigt, keine Bibellesung und keine Diskussionen, sondern vor allem Musik und Gebet. Anbetung und Opferdienste waren hier prägend. Die Gemeinde war auf Gott hin ausgerichtet, und Gott stand im Mittelpunkt.

2. Die Synagoge: Nicht alle Juden wohnten in Jerusalem, und viele konnten deshalb nicht mehr als einmal im Jahr zum Gottesdienst in den Tempel nach Jerusalem pilgern. Neben dem Tempel entstanden daher in vielen Orten die Synagogen: Versammlungshäuser, in denen sich die örtliche Gemeinde zum Bibelstudium, Gebet, zum Austausch und zum Gespräch traf. Die Synagoge war dabei nicht nur Gottesdienstort, sondern im besten Sinne ein ?Dorfgemeinschaftshaus?, in dem auch die regelmäßige Schulbildung der Kinder und andere wichtige Treffen der Dorfgemeinschaft stattfanden. Jesus hat in den Synagogen gepredigt, und ebenso auch Paulus. Die Gottesdienstformen erlaubten offenbar, obwohl es auch festgelegte Liturgien und Gebete gab, auch das spontane und offene Gespräch.

3. Das Theater: Das Theater war ein öffentlicher Versammlungsort, der eigentlich der griechisch-römischen Kultur entstammte. Aber auch in Israel wurden an vielen Stellen solche Theater gebaut. Etwa in Sepphoris, der damaligen ?Hauptstadt? von Galiläa unweit von Nazareth, bei dessen Bau vielleicht auch Jesus und sein Vater Joseph als Zimmersleute mitgearbeitet haben. Erst vor wenigen Monaten wurde unweit von Bethlehem ein beeindruckendes und schön dekoriertes Privat-Theater des Königs Herodes entdeckt, unmittelbar neben seiner Grabstätte, die für Jahrhunderte als verschollen galt. Das Theater war der Ort öffentlicher Darstellungen: Hier gab es Musikveranstaltung, klassische Dramen, Comedy und öffentliche Reden. Hier war der Ort, an dem wichtige Inhalte der einer breiten Öffentlichkeit kommuniziert wurden. Nicht selten waren das auch religiöse Inhalte. Das Publikum saß dabei auf den Zuschauerrängen, während die Akteure auf der Bühne versuchten, ihre Inhalte möglichst überzeugend, und gleichzeitig auch unterhaltsam, zu präsentieren, in der Hoffnung, dass ihre Zuschauer am Ende des Abends verändert nach Hause gingen. Auch die ersten Christen haben das Theater genutzt, um von ihrem Glauben zu erzählen ? auch wenn sie dort wenig Anklang fanden (Apg. 19,21-40)

4. Die Therme: Auch die Therme war in Israel ein wichtiger öffentlicher Ort, obwohl auch sie, wie das Theater, von vielen traditionellen Juden als ein kultureller Fremdkörper empfunden wurde. Natürlich diente die Therme zu allererst der persönlichen Entspannung, Erholung und Reinigung. Sie war aber weit mehr als nur eine Badeanstalt. Sie war Ort der Begegnung und der Kommunikation, hier wurden wichtige Dinge besprochen, Geschäfte ausgehandelt, Beziehungen geknüpft. Aber es geschah dezentral und ohne ein festes Programm: Jeder suchte sich seine Ecke, seine Gesprächspartner, sein Tempo und sein Programm selbst aus, je nach Vorlieben und nach Bedürfnissen. Nach einem Besuch in der Therme ging man nicht nur gestärkt an Körper und Seele, sondern hoffentlich auch mit neuen Gedanken bereichert nach Hause. Von Johannes, dem Jünger Jesu, wird erzählt, dass er im hohem Alter bevorzugt in die Therme ging, um dort in der angenehmen Atmosphäre des warmen Bades seine Mitbürger zu evangelisieren.

Was hat nun aber all das mit Lobpreis und Anbetung zu tun? Ich glaube, ein Blick auf diese verschiedenen Orte öffentlichen Lebens kann uns dabei helfen, unsere Erwartungen und unser Bild vom Gottesdienst besser zu verstehen. Der Gottesdienst ist die öffentliche Versammlung der Gemeinde ? aber an welchem Vorbild orientieren wir uns dabei? An Tempel, Synagoge, Theater oder Therme? Ein kurzer Blick auf die Kirchengeschichte und auf die derzeitige Gemeindelandschaft zeigt, dass alle Modelle hier vertreten sind:

In den ersten Jahrhunderten der christlichen Gemeinde blieb der Tempel in Jerusalem das grundsätzliche Vorbild des christlichen Gottesdienstes: In der Apostelgeschichte lesen wir, dass die Urgemeinde wie selbstverständlich weiterhin die zentralen Gottesdienste des Tempels in Jerusalem besuchte und auch gar keinen Grund sah, damit aufzuhören. Erst als der Tempel im Jahr 70 zerstört wurde, änderte sich das: Man besann sich darauf, dass der ?eigentliche? Tempel unsichtbar ist und eine himmlische Realität, während in der irdischen Realität die Gemeinde der Tempel Gottes ist. Der Hebräerbrief ist ein frühes Zeugnis dieser Phase. Die Gottesdienste der alten Kirche waren daher in ihrer Form eng an den Tempelgottesdienst angelehnt: Es gab Priester, Weihrauch, viel gemeinsame Anbetung, vor allem in Form von Liedern. Predigten, Interaktion und persönliche Begegnung fanden nicht im Gottesdienst, sondern davor und danach statt. Der Gottesdienst war ganz auf die Begegnung mit Gott, auf Anbetung und Lobpreis, ausgerichtet.

Das änderte sich in der Reformationszeit. Die Erfahrung der Reformatoren war es, dass nur noch wenigen Leuten aus dem Volk die tiefere Bedeutung des Gottesdienstes oder des Evangeliums bewusst war. Liturgie und Gesänge fanden größtenteils auf lateinisch statt, obwohl die Leute nur deutsch sprachen. Für viele war der Gottesdienst nur noch ein fremdes, totes Ritual, dessen Sinn sie nicht mehr verstanden. Martin Luther funktionierte den Gottesdienst daher kurzerhand in eine Lehrveranstaltung um: Die Predigt bildete jetzt den Mittelpunkt des Gottesdienstes. Die Lieder wurden auf deutsch gesungen, sie handelten meistens von Grundlagen des Glaubens, nur wenige Lieder aus der Reformationszeit sind Lob- und Anbetungslieder im eigentlichen Sinne. In dieser Zeit wurden auch die Kirchenbänke in die Kirche eingeführt, die es vorher nur in den Schulen gab. Der Gottesdienst der Reformationszeit folgte also eher dem Modell der Synagoge als dem Modell des Tempels.

In der Zeit des Pietismus und mit der Entstehung der Freikirchen verstärkte sich dieser Trend noch: Die letzten Reste des liturgischen Gesangs und Gebets wurden aus den Gottesdiensten entfernt, die traditionelle ?Bibelstunde? des Pietismus mit Gesang, Bibelauslegung, Gespräch und Gebetsgemeinschaft trat vielerorts neben den Gottesdienst oder ersetzte ihn sogar. Die ?Versammlung? war vor allem ein Ort der Gemeinschaft und des Lernens, obwohl natürlich auch hier gebetet wurde. Ein Bewusstsein der unmittelbaren und heiligen Gegenwart Gottes, wie es noch den Tempel in Jerusalem und die Gottesdienste frühen Kirche prägte, ging hier weithin verloren. Nicht umsonst trat in der reformierten Tradition die ?Erinnerung? an die Heilstaten Gottes an die Stelle der ?realen Präsenz? Gottes, etwa im Abendmahl. Die ?Synagoge? existierte so nicht, wie zur Zeit Jesu, neben dem Tempel und zu seiner Ergänzung, sondern sie ersetzte ihn.

Seit dem 19. Jahrhundert fanden dann zunehmend auch Elemente des ?Theaters? Eingang in die Gottesdienstformen. Zunächst in Form der evangelistischen Freiversammlungen, die ergänzend neben die Gemeindegottesdienste traten. Hier stand nicht die gemeinsame Anbetung, auch nicht das gemeinsame Bibelstudium der Gemeinde, sondern die Präsentation des Glaubens nach außen im Vordergrund. Natürlich gab es ?Mitarbeiter? und ?Besucher?, aber das Haupt-Augenmerk richtete sich bei der Programmgestaltung und bei der Predigt auf die Besucher. Die großen Evangelisationen mit Billy Graham und Ulrich Parzany, die bis in unsere Zeit hinein stattfinden, stehen in dieser Tradition.

Neu kam gegen Ende des 20. Jahrhunderts allerdings die Tendenz hinzu, die Evangelisationsveranstaltung ganz an die Stelle des Gottesdienstes zu setzen. Hier steht natürlich der Name ?Willow Creek? für ein Programm: Die Chicagoer Gemeinde traf den Entschluss, ihren Gemeindegottesdienst auf einen Mittwoch zu legen, um am Sonntag Morgen stattdessen Zeit und Raum für eine evangelistische Veranstaltung zu schaffen. Ein großartiges Konzept, durch das viele ?unkirchliche? Leute einen Zugang zum Glauben fanden, die vielleicht sonst nie den Weg in einen gewöhnlichen Gemeindegottesdienst gefunden haben. Wichtig war hier, dass am Sonntag alles auf den Besucher ausgerichtet war: Deshalb gab es z.B. keine Anbetung (?worship and seekers don?t mix well?). Dafür war ja weiterhin am Mittwoch Zeit. Das Modell von Willow Creek fand weltweit viele Nachahmer, auch in Deutschland. Mit einem wichtigen Unterschied: In vielen Gemeinden wurde der Gemeindegottesdienst nicht auf den Mittwoch verschoben, sondern ganz abgeschafft und durch das Modell des ?besucherfreundlichen? Gottesdienstes ersetzt. An die Stelle von Tempel oder Synagoge trat so vielerorts das Theater. Viele Menschen fanden so einen neuen Zugang zu Gottesdienst und Glauben. Aber viele Gemeinden verloren auch ihre geistliche Mitte, weil der Ort der intensiven Gottesbegegnung, der ?Tempel?, nicht mehr existierte. Vereinzelte Anbetungslieder oder auf das Minimum gekürzte Anbetungszeiten werden oft in dieses Konzept eines Gästegottesdienstes hineingepresst, aber sie werden oft als Fremdkörper empfunden und können ihren eigentlichen Sinn nicht wirklich entfalten.

Das Modell des ?Theaters? hat aber seit Beginn des 21. Jahrhunderts auch wieder viele Kritiker gefunden, die diese Form des Gottesdienstes als zu frontal, zu unpersönlich und zu kalt empfinden. Die Suche nach gemeinschaftlichen, vielfältigeren und partizipatorischen Formen des Gottesdienstes hat an vielen Orten zu Modellen geführt, die man mit der ?Therme? vergleich könnte: Keine zentrale Veranstaltung, kein zentrales Programm, keine gemeinschaftliche Liturgie, keine einheitliche Ausrichtung der Gemeinde. Statt dessen verschiedene Räume, in denen der Einzelne das suchen und finden kann, wonach ihm gerade der Sinn steht: Ruheräume, Erlebnisfelder, Gesprächsecken, und vor allem die Möglichkeit, sich individuell zu bewegen. Jeder kann hier auf seine Weise Anregung, Entspannung, Erfrischung, Reinigung oder Bereicherung ? und auch Gottesbegegnung - finden. Er kann dies für sich allein oder mit anderen, und er entscheidet selbst, wann er zufrieden wieder nach Hause geht. Anbetung und Lobpreis haben in dieser Form des Gottesdienstes, wenn sie überhaupt stattfinden, die Aufgabe, eine Atmosphäre und einen Klangraum zu schaffen, in der der Einzelne (oder die Gruppe) ihre Beziehung zu Gott ausdrücken kann (aber nicht muss). Anbetung ist keine gemeinsame Äußerung der versammelten Gemeinde, sondern eine ganz persönliche Entscheidung und Aktivität des Einzelnen.

Tempel, Synagoge, Theater oder Therme ? welcher dieser Orte aus neutestamentlicher Zeit prägt unser Bild vom Gottesdienst? Ich persönlich glaube, dass wir Elemente von allem brauchen. Es besteht kein Grund, das eine gegen das andere auszuspielen. Allerdings stellt sich mir die Frage, welche dieser Elemente speziell für das Wesen des GOTTESDIENSTES zentral sind, und welche ganz allgemein für das Wesen von GEMEINDE zentral sind. In der Bibel war der Gottesdienst nämlich ganz eindeutig im Tempel zu Hause: Hier war der Ort der Begegnung mit Gott. Die Synagoge trat an die Seite, aber nicht an die Stelle des Tempels. Und auch das Theater und die Therme waren zwar Orte der öffentlichen Verkündigung, sie ersetzten aber nicht den Gottesdienst im Tempel.

Im Blick auf unsere Gemeinden heute müssen wir uns die Frage stellen: Was verlieren wir, wenn wir das Modell des Tempels durch andere Modelle ersetzen? Wo ist dann für uns der zentrale Ort der gemeinsamen Gottesbegegnung? Wo ist der Ort, an dem weder wir selbst noch unsere Gäste im Mittelpunkt stehen, sondern Gott selbst? Gibt es ihn noch oder geht er uns ? ungewollt und ungeplant ? verloren? Viele Gemeinden tun sich heute, wie anfangs beschrieben, schwer damit, Lobpreis und Anbetung in ihre Gottesdienste zu integrieren. Vielleicht liegt es daran, dass sie das Modell des Tempelgottesdienstes stillschweigend durch andere Modelle des Gottesdienstes ersetzt haben, in denen nicht die Gottesbegegnung im Mittelpunkt steht, sondern z.B. die Versammlung der Gemeinde, die Verkündigung des Glaubens oder die gemeinsame Konversation?

Ich glaube, wir brauchen als Gemeinde einen Gottesdienst, in dem die Begegnung mit Gott im Mittelpunkt steht, einen Gottesdienst also, der sich am Modell des Tempels orientiert und der geprägt ist vom Bewusstsein einer unmittelbaren Gegenwart des heiligen und liebevollen Gottes. Ein solcher Gottesdienst kann auch Elemente der Synagoge enthalten (z.B. durch eine Predigt, Bibelstudium, Gespräch), ebenso wie Elemente des Theaters (z.B. Sketche, Pantomime, Video, Musik und andere Arten darstellender Kunst) und der Therme (z.B. durch multimediale ?soaking?-Phasen, Konversation in Kleingruppen, Begegnungs- und Stilleräume). Auf jeden Fall aber braucht er die Grundstruktur des Tempels, also einer gemeinschaftlichen Begegnung mit Gott und der gemeinsamen Anbetung Gottes.

Neben solchen Gottesdiensten brauchen wir aber auch andere Arten der Gemeindeveranstaltung, seien es Bibelstunden, Freiversammlungen, Konzerte, Diskussionsabende, meditative Nächte, Foren und vieles mehr. Veranstaltungen, die ganz und gar dem Modell von Synagoge, Theater oder Therme folgen (vielleicht auch mit Elementen des jeweils anderen). Solche Veranstaltungen müssen aber nicht ?Gottesdienst? heißen. Das Bedürfnis, jede gemeinsame oder größere Veranstaltung der Gemeinde ?Gottesdienst? zu nennen, ist ein sehr neuzeitliches. Im Judentum wie auch bei den ersten Christen war der ?Gottesdienst? der Ort der Gottesbegegnung. Das deutsche Wort ?Gottesdienst? gibt bei Luther sogar die hebräischen und griechischen Worte für ?Anbetung? wieder. Gottesdienst war in biblischer Zeit vor allem Anbetung. Aber das hat die Gemeinde nicht davon abgehalten sich zusätzlich auch zu anderen Versammlungen zu treffen, sei es hin und her in den Häusern, sei es zum gemeinsamen Abendessen oder zur Freiversammlung auf Plätzen und in Theatern. Erst in unserer Zeit, in der wir als Gemeinde meist nur einmal in der Woche Zeit füreinander und miteinander haben, muss all dies in eine einzige Veranstaltung gepackt werden, nämlich den Gottesdienst. Dieser ist aber damit völlig überfordert, und das Ergebnis ist oft eine allgemeine Unzufriedenheit: Man hofft darauf, im ?Gottesdienst? seiner Gemeinde all das abgebildet zu sehen, was früher in Tempel, Synagoge, Theater und Therme geschah. Man merkt aber, dass alles zusammen nicht gelingen kann und nur dazu führt, dass nichts davon wirklich zum Zuge kommt.

Mein Vorschlag ist daher: Mehr Mut zu einem Gottesdienst, der sich wieder am Modell des Tempels orientiert und damit am neutestamentlichen Vorbild. Andere Elemente können dazu kommen, sie dürfen aber die Grundrichtung des Gottesdienstes nicht zerstören, nämlich die gemeinsame Anbetung Gottes. Daneben brauchen wir dann aber auch mehr Mut für andere Veranstaltungen, die sich an Synagoge, Theater und Therme orientieren. Nicht alles, was wir als Christen gemeinsam tun, muss ein Gottesdienst sein. Wir werden sogar entdecken, dass außerhalb der Gottesdienste viel mehr Raum und Zeit zum Experimentieren ist, wenn wir einmal begonnen haben, die neuzeitliche Selbstbeschränkung auf den Gottesdienst zu durchbrechen. Und gleichzeitig werden wir merken, dass wir in unseren Gottesdiensten wieder mehr Zeit und Raum finden, das Wesen von Gottesdienst wertzuschätzen: Die Begegnung mit dem lebendigen und gegenwärtigen Gott, die ihren Ausdruck findet in Lobpreis und Anbetung der versammelten Gemeinde.

   
© G. Baltes / T. Schröder

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