Nein, dieser Artikel gibt dir keine Sammlung von guten neuen Ideen. Er enthält kein Rezept für den idealen Jugendgottesdienst. Auch keine praktischen Tips für den nächsten Sonntag. Und keinen Programmvorschlag zum Nachmachen. Nichts derartiges: Er soll dir Mut machen, selbst neue Ideen zu entwickeln. Einmal etwas weiter zu denken als nur bis zum nächsten Termin, der vorbereitet werden muss. Weiter als bis zum nächsten Halbjahresprogramm, das geplant werden will. Er soll dir Mut machen, einmal in die Zukunft zu blicken und dir die Frage stellen: Wie werden eigentlich unsere Jugendgottesdienste morgen aussehen? Oder besser: Wie sollen sie aussehen? Es ist ja wie mit dem Zähneputzen: Wenn du auch morgen noch kraftvoll zubeißen willst, musst du heute die richtige Zahnpasta kaufen. Und wenn du auch morgen noch lebendige Gottesdienste feiern willst ... Was wir heute brauchen, sind gute neue Ideen für die Gottesdienste von morgen.
Gottesdienst lebenswichtig für jede Generation
Überall in Deutschland werden zur Zeit besondere Gottesdienste für Jugendliche gefeiert. Und das ist gut so. Weil jede neue Generation ihre eigenen Formen braucht, um ihre Beziehung zu Jesus zu leben. Regelmäßig zusammen Gottesdienst zu feiern ist lebenswichtig für jede Gemeinde, und deshalb auch für die Gemeinde Jesu unter 20. Jugendkreise, Teestuben, Bibelkreis, Gebetsgruppen das alles ist wichtig, um im kleinen Rahmen wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen über die Highlights und Tiefschläge des täglichen Lebens. Konzerte, Evangelisationen, Konferenzen das ist wichtig, damit auch mal im großen Rahmen auf Jesus aufmerksam gemacht wird. Aber neben den kleinen Gruppen und den großen Events braucht ihr eben auch das: Regelmäßige Jugendgottesdienste, in denen ihr zusammen Jesus feiert. Jesus feiern heißt: Ihn in den Mittelpunkt stellen. Ihn anbeten, loben, bekennen. Davon erzählen, was er für euch getan hat. Predigen, was er für euch und eure Freunde bedeutet. Euch darüber freuen, dass ihr seine Freunde sein könnt. Und das alles in einer Form, die eurem Alter, eurer Kultur, eurer Sprache, eurem Musikstil eben eurer Generation entspricht.
Viel zu wenige Jugendgottesdienste
Wer beim Christival 96 in Dresden dabei war, hat es erlebt: Eine riesige Vielfalt verschiedener Jugendgottesdienste an jedem Morgen. In Kirchen, Sporthallen, Zirkuszelten, Ruinen und auf der Straße. Und das alles waren keine Sonderveranstaltungen, die extra fürs Christival aus dem Boden gestampft wurden. Alle diese Gottesdienste werden in dieser Form regelmäßig irgendwo in Deutschland von jungen Leuten gefeiert. Das zu sehen, hat vielen Mut gemacht. Aber es hat eben auch gezeigt, dass für viele Christival-Teilnehmer solche Gottesdienste noch eine Besonderheit sind und nicht der Normalfall. Viel zu oft läuft es doch in den Gemeinden so: Bis du 13 bist, darfst du am Kindergottesdienst teilnehmen, wo du gemeinsam mit den 5-jährigen auf biblische Geschichten lauschst und bastelst. Aber dann eines morgens wachst du auf und bist 14, und dir wird klar: Jetzt heißt es ab zu den Erwachsenen! Jetzt wird gelernt, wie man richtig Gottesdienst feiert. Aber was ist, wenn du dich weder als kleines Kind noch als echter Erwachsener fühlst? Dann kommst du dir in beiden Gottesdiensten fremd vor. Und wo man sich fremd fühlt, kann man nicht echt sein. Das ist wohl klar.
Viel zu viele Jugendgottesdienste, die keine sind
Aber auch da, wo es sogenannte »Jugendgottesdienste« gibt, wundert man sich oft, was unter dem Namen so alles verkauft wird: Da gibt es Jugendgottesdienste, die in Wirklichkeit Vorführstunden von Jugendlichen für Erwachsene sind: Einmal im Jahr darf der Jugendkreis oder die Konfirmandengruppe mal unter Leitung des Pastors den Gottesdienst anders gestalten. Alle machen geduldig mit und sind insgeheim froh, dass es nicht öfter vorkommt. Dann gibt es Jugendgottesdienste, die in Wirklichkeit Gottesdienste von Erwachsenen für Jugendliche sind: Begrüßung, Predigt, Musik, Organisation alles wird von Erwachsenen gemacht, um den Jugendlichen »mal was Gutes zu bieten«. Aber die dürfen nur zuschauen. Dann gibt es da Jugendgottesdienste, die in Wirklichkeit nur Konzerte sind: Eine Stunde Musik und wehe, wenn zwischendurch jemand länger als drei Minuten redet. Und dann sind da noch die Jugendgottesdienste, in denen man gemeinsam alt geworden ist: Seit 10 Jahren läuft der Gottesdienst reibungslos, inzwischen sind alle schon über 30, aber niemand hat gemekt, dass Jugendliche schon lange nicht mehr kommen. Also aufgepasst: Nicht überall, wo Jugendgottesdienst draufsteht, ist auch Jugendgottesdienst drin. Was aber macht dann den Unterschied? Worauf wird es in Zukunft ankommen, wenn Leute unter 20 Gottesdienst feiert?
Jesus im Zentrum
Das ist das erste und Wichtigste. Wir werden in der Zukunft immer mehr in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen, Überzeugungen, Lebensauffassungen geraten als das bei unseren Eltern der Fall war. Noch vor zwanzig Jahren war das religiöse Feld ziemlich übersichtich: Der Westen gehörte zum »christlichen Abendland«, der Osten hatte sich offiziell zumindest zur religionsfreien Zone erklärt. Wer von Gott redete, brauchte nicht zu erklären, welchen er meint. Wo Gottesdienst gefeiert wurde, da war allen klar, dass es hier ums Christentum ging. Aber das wird in Zukunft anders sein: Wir werden als Christen mehr und mehr in die Auseinandersetzung geraten, alles profillose Kirchenchristentum wird nach und nach vom Erdboden verschwinden, und was dann bleibt, sind die Leute, die klar zu Jesus stehen. Das muss sich auch auf unsere Gottesdienste auswirken: Die Leute, die kommen, stehen in ihren Schulen und in ihrer Freizeit zwischen Islam und Atheismus, zwischen Vikka-Kult und Satansmessen, zwischen Anthroposophie und Scientology. Da muss klar beim Namen genannt werden, dass es uns um Jesus geht und um niemand anders. Und dass Jesus die einzige Alternative ist.
Neue Wege der Kommunikation
Wir werden deshalb viel Kreativität brauchen, um diese Message verständlich rüberzubringen. Es wird nicht reichen, wenn wir Bibelgeschichten nacherzählen, so als ob es Märchen aus einer vergangenen Zeit wären, wenn nicht klar wird, dass Jesus heute lebendig ist. Es wird nicht reichen, wenn wir christliche Moral predigen, ohne zu sagen, was Gott uns in Jesus anbietet. Es wird auch nicht reichen, wenn wir das Reden den Erwachsenen überlassen und damit letztich ausdrücken: Jesus ist nur was für ältere Leute. Deshalb werden wir verstärkt andere Wege der Kommunikation brauchen neben der klassischen Predigt: Vor allem persönliche Berichte aus dem täglichen Leben mit Jesus (früher auch »Zeugnisse« genannt). Dafür brauchst du nicht Theologie studiert haben oder ein Gehalt von der Gemeinde zu kriegen. Das kannst du auch, wenn du erst 15 bist. Lieber ein echter Lebensbericht von 5 Minuten als eine gekünstelte Predigt von einer Stunde. Auch spritzige, kurze Theaterszenen können in kurzer Zeit mehr rüberbringen als viele Worte (Aber bitte keine endlosen auswendig dahergeleierten Dialoge, die man besser gleich als Predigt halten würde ...). Das alles gibts ja schon länger. Aber vielleicht fallen dir auch noch ganz neue Sachen ein, die bisher bei euch noch niemand probiert hat. Vielleicht hast du einen Freund, der sich mit Multimedia auskennt, und mit dem du einen Videoclip produzieren kannst, der was von Jesus rüberbringt. Mach dir einfach mal deine eigenen Gedanken: Wie kann ich meinen Freunden das rüberbringen, was mir wichtig ist? Was spricht sie an? Auf was hören sie? Wie bekomme ich die Message von Jesus klar?
Mehr Zeit fürs Gebet
Gebet ist in vielen Jugendgottesdiensten ein Stiefkind. Im Extremfall wird nur vorher im Mitarbeiterkreis für den Gottesdienst gebetet, weil man im Gottesdienst selbst niemanden verschrecken will. Das ist aber eine totale Verdrehung von dem, was Gottesdienst ist. Im Neuen Testament bedeutet das Wort für Gottesdienst: Gottesverehrung, Anbetung. Jeder Gottesdienst ist deshalb eine Gebetsveranstaltung. Und dafür braucht man sich nicht zu schämen. Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir in Zukunft wieder viel mehr Wert auf das Gebet legen müssen, weil unseren Gottesdiensten sonst die geistliche Kraft verlorengeht. Die Leute unserer Generation wollen nicht bloß graue Theorien über Gott hören. Sie wollen Gott begegnen. Und in unseren Gottesdiensten muss dafür Raum sein. Zur Zeit der ersten Christen kamen die Leute in den Gottesdienst und merkten sofort: »Gott ist wahrhaftig unter euch« (1. Kor. 14,25). Lasst eure Freunde also ruhig miterleben, wie ihr mit eurem Gott redet, wie ihr ihn anbetet und wie ihr auf seine Stimme hört. Nehmt sie mit hinein in in die Gegenwart Gottes. Betet dafür, dass Gott sie in den Gebetszeiten und in der Stille anrührt. Denn das tut er heute genauso wie damals. Ohne Gebet wird der Gottesienst zu einer flachen Werbeveranstaltung, bei der es nur auf unsere eigene Überzeugungskraft ankommt. Das Geheimnis des Gottesdienstes liegt aber darin, dass Jesus gegenwärtig ist. Das macht ihn besonders und unterscheidet ihn von allen anderen toten Kulten unserer Zeit. Und dieses Geheimnis werden wir in Zukunft neu entdecken müssen. Das Gebet muss deshalb mehr Raum bekommen. Es reicht nicht, den Gottesdienst nur mit einem Eingangsund Schlußgebet fromm einzurahmen. Gebet muss mindestens so viel Gewicht bekommen wie die Predigt. Und Gewicht bedeutet auch ganz praktisch: Zeit. Wo zwanzig Minuten am Stück gepredigt wird, da sollte an auch den Mut haben, eine Gebetszeit von zwanzig Minuten am Stück einzuplanen. Natürlich muss man dann auch Formen finden, wie das aussehen soll. Vor allem brauchen wir Formen des Gebets, an denen sich alle beteiligen können: Eine Grundform des gemeinsamen Gebets sind seit der Zeit der Urchristen gemeinsame Lieder. Hier kommt es drauf an, einmal eure Liedauswahl zu überprüfen: Wie viele von euren Liedern reden nur über Gott, und wieviele reden zu ihm? Werden Gebetslieder wirklich als Gebete gesungen? Leitet derjenige, der die Musik macht, auch gleichzeitig zum Gebet an? Gibt es zwischen den Liedern offene Zeiten des Gebets, an denen sich jeder beteiligen kann? Auch hier müssen wir kreativer werden: Es gibt weit mehr Formen des Gebets als die altbekannte Gebetsgemeinschaft: Gemeinsam gesprochene Psalmen. Gebete, die im Wechsel von Leiter und Gemeinde gesprochen werden. Getanzte Gebete. Gebete, die auf Zettel oder auf Tapeten geschrieben werden. Und auch hier gibt es bestimmt noch neue Ideen, die bisher noch keiner gehabt hat. Lasst uns nicht immer beim altbewährten stehenbleiben, sondern auch den Mut aufbringen, neue Wege zu gehen.
Gottesdienst und Jugendkultur
Wie sieht es aus mit der äußeren Form unserer Gottesdienste? Hier erleben wir heute manchmal Eigenartiges: Da sitzt jemand zu Hause und hört den ganzen Tag die Musik der 90er Jahre. Dann macht er seine CD aus und geht in den Jugendgottesdienst: Zum Eingang spielt die gemeindeeigene Band einen Rocksong im Stil der frühen 80er, und alle freuen sich, dass es »so moderne« christliche Musik gibt. Dann beginnt das gemeinsame Singen mit Fahrtenliedern der späten 60er Jahre. Und keiner wundert sich darüber. Warum eigentlich gelten für unsere Gottesdienste andere Regeln als im normalen Leben? Warum ist das, was du im normalen Leben völlig out und down findest, für den Gottesdienst immer noch gut genug? Warum gibt es hyper-moderne christliche Konzerte allerorten, aber wenn es um das Singen im Gottesdienst geht, sind uns eine verstimmte Gitarre und die Lieder unserer Eltern plötzlich gut genug? Ich glaube nicht, dass wir als Christen immer der neuesten Mode hinterherrennen müssen. Aber ich finde, das Mindeste müsste doch sein, dass wir, wo es um Gott geht, genauso hohe Ansprüche haben wie in unserem alltäglichen Leben. Wenn wir sagen, dass Gott etwas mit unserem Leben zu tun hat, dann sollte auch die Form unserer Gottesdienste unserem alltäglichen Leben entsprechen. Es geht nicht darum, sich moderner zu geben als man ist, um damit irgendjemanden anzulocken. Sondern es geht darum, dass wir selbst so, wie wir wirklich sind, auch vor Gott treten: Mit der Musik, die wir im Alltag hören. Mit der Sprache, die wir im Alltag sprechen. In der Kleidung, die wir im Alltag tragen. Weil wir dem Gott begegnen, mit dem wir im Alltag leben. Die Kultur unseres Alltags muss auch die Kultur unserer Gottesdienste werden. Und diese Kultur sollte von dem Jesus geprägt sein, der heute lebendig ist und dem die Zukunft gehört.
Von Jugendlichen, nicht bloß für Jugendliche
Und ein letztes Wort: Allzuoft werden Jugendgottesdienste von Erwachsenen für Jugendliche veranstaltet. Das ist schade, weil dadurch viele Gaben nicht zum Zuge kommen, die in den Jugendkreisen vorhanden sind. Aber es ist auch gefährlich, weil so eine ganze Generation in dem Bewusstsein heranwächst: Gottesdienst ist nicht unsere Sache. Das machen die Alten, und wir lehnen uns zurück und sehen zu. Es wird Zeit, dass eine neue Generation den Gottesdienst wieder in die eigene Hand nimmt. Dass Leute unter 20 anfangen, selbst zu ihren Freunden zu predigen und ihnen Zeugnis zu geben. Dass sie selbst im Gottesdienst die Musik machen, die ihnen gefällt. Dass sie selbst die Verantwortung übernehmen, zu planen und zu beten. Auch wenn es am Anfang vielleicht mehr Chaos, mehr Pannen, mehr Fehler gibt. Auch wenn es weniger professionell und weniger routiniert zugeht. Denn gerade darin liegt ja auch eine Chance: dass Gottes Kraft zum Zuge kommt, statt unserem eigenen vermeintlichen Können. In vielen Erweckungen der Vergangenheit waren es die zehnjährigen Kinder, die plötzlich anfingen zu predigen und eigene Gebetsversammlungen zu halten. Zu Hunderten und Tausenden. Und die Erwachsenen haben ihnen zugehört und sich bekehrt. Das wünsche ich mir für die Generation unter 20: dass sie anfängt, eigene Gottesdienste zu feiern, von denen Impulse ausgehen, die unser Land verändern. Gottesdienste, die mehr sind als fromme Routineveranstaltungen und mehr als modische Events: Gottesdienste, in denen junge Leute Jesus feiern und Gott begegnen können.
Autor: Guido Baltes
Jahr: 1996
Update: 03.04.2006
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